Dienstag, 6. September 2011

Antiterror

Nachdem vor zehn Jahren ein bis dahin undenkbarer Terrorakt die Twin Tower des Wolrd Trade Centers zum Einsturz brachte, veränderte das die Welt. Die Fronten zwischen den Weltreligionen verhärteten sich und viele Länder erließen neue Gesetze, um sich besser gegen Terroristen zur Wehr setzen zu können. Insgesamt 35.117 Menschen wurden international aufgrund von Straftaten verurteilt, die als terroristische Aktionen gelten, berichtet das Onlineportal von ntv Türkei. Alleine ein Drittel davon, wer hätte es gedacht, hier zu Lande. Ohne Frage konnten die ermittelnden Behörden große Erfolge verzeichnen, was die Festnahme von Islamisten angeht. Doch die weit größere Gruppe dürfte aus Anhängern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK bestehen.

Beispielsweise Nacide Tokova. Die Mutter von zwei Kindern wurde auf einer Demo aufgegriffen und zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil sie ein Transparent mit der Aufschrift "Freie Führerschaft und freie Identität oder Widerstand und Rache bis zum Ende" trug. Hoffentlich hat sie ihre Haftzeit dazu genutzt lesen und schreiben zu lernen: Sonst könnte es der Analphabetin wohl wieder passieren, dass man sie wegen eines ähnliches Delikts verurteilt.

12.897 Personen wurden in den vergangenen zehn Jahren in der Türkei als Terroristen verurteilt. Das sind so viele Menschen, wie im beschaulichen Altötting leben. Doch während man sich dort um ein Abwanderung der Bevölkerung sorgt und die Gemeinde immer mehr vergreist, droht dies wohl dem türkischen Terror nicht. Das zeigt der Fall von den vielen Kindern und Jugendlichen, die auf eine Verurteilung warten, weil sie auf prokurdischen Demonstrationen aufgegriffen wurden.

Beispielsweise der Fünfzehnjährige Ö.S. Am 20. Juli 2010 soll er eine Bombe in der Nähe eines Parteibüros der Regierungspartei AKP in Diyarbakir deponiert haben. 14 Monate später, am 6. September 2011, fand die erste Anhörung in den Fall statt. Zurück in die Schule darf der Minderjährige leider nicht. Ein Antrag auf Haftentlassung wurde vom zuständigen Richter mit der Begründung abgelehnt, dass noch nicht alle Beweise zusammengetragen seien. (Bianet)
Sollte Ö.S. eines Tages aus der Haft entlassen werden, steht er vor dem Nichts: die Schule nicht beendet,  in einem Landstrich mit hoher Arbeitslosigkeit und einer Alternative: in die Berge gehen. Zumindest liegt man dort seiner Familie nicht auf der Tasche. Wie auch. Kost und Logis sind frei und das durchschnittliche Lebensalter der Guerilla beträgt 26 Jahre. Beste Kontakte in die Szene kann man wohl auch an keinem Ort so gut aufbauen, wie im Knast. Mehr als jeder zehnte Häftling in der Türkei sitzt wegen Terrorvergehen.

Eines der Lieblingsargumente der Türkei für einen Beitritt in die Europäische Union ist die junge und dynamische Bevölkerung, die Gemeinden wie Altötting frisches Blut und Steuereinnahmen bringen soll. Und sie kommen, die jungen Menschen aus der Türkei. Als Asylanten, weil man sie in ihrem Heimatland, für das sie oft sogar zu sterben bereit wären, nicht annähernd die Rechte gewährt, die jedem Menschen zustehen. Statt einer Schul- und Berufsbildung mit Knast- und Gewalterfahrung.

Schade, dass wir diese Menschen erst kennen lernen dürfen, nachdem sie vom Leben enttäuscht und gebrochen sind.

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