Dienstag, 25. Oktober 2011

Triskaidekaphobie

Triskaidekaphobie ist der Fachausdruck für die Angst vor der Zahl 13. Die 13 soll ja häufig nichts Gutes verkünden "jetzt schlägt's 13" oder die "Dreizehnte Stunde", also die Geisterstunde, künden von drohendem Unheil. Während in anderen Kulturen die Zahl gerne auch mal Positives bringt, hat es sich im christlichen Kulturkreis das mulmige Gefühl um Freitag, den 13. durchgesetzt. Denn bereits beim letzten Abendmahl war es der 13. Teilnehmer, der Jesus Christus an die damalige Justiz verraten haben soll. 
Man möchte es kaum glauben, aber in vielen Hotels gibt es heute keine Zimmer Nr. 13, bei Sportveranstaltungen verkneifen sich Veranstalter oft die Startziffer 13 und Fluggesellschaften wie Condor oder Lufthansa verzichten auf die dreizehnte Sitzreihe und den vermeintlich Unglück bringenden Sitz. Übrigens auch die Turkish Airlines. 
Dies wiederum hat Özcan Yeniceri, seines Zeichens Abgeordneter der nationalistischen MHP, erzürnt und er stellte einen Antrag, diesen Zustand sofort zu ändern. Denn eine Unglückszahl könne die 13 beim besten Willen nicht sein: Zählt man die Zahlen des Geburtsjahres des Propheten Mohammed, also 571 zusammen, ergibt das die 13. Und genau so 1453, die Jahreszahl der Eroberung Istanbuls: 13! 

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Prügel für Anfänger

Gut gemeint hat es die Stadtverwaltung Izmir sicher und wohl auch Mühe gegeben. Frucht dieser Arbeit ist eine kleine Broschüre mit dem Titel "Anleitung zum Schutz vor Prügel". Darin finden sich so brauchbare Ratschläge wie "Meiden Sie im akuten Fall Räume mit nur einem Zugang, wie etwa das Bad." Oder es wird geraten "Embrionalstellung" einzunehmen, wenn es gerade Prügel hagelt. Immer griffbereit sollte eine Tasche stehen. Die Kolumnistin Ceyda Isik ist dem Himmel auf internethaber vor allem für eins dankbar: dass nicht auch noch geraten wird ein Mal die Woche mit seinem gewalttätigen Gatten eine "Übung" abzuhalten, damit man für den Ernstfall vorbereitet ist.
Wir erkennen daraus: Prügelnde Ehemänner scheinen unumgänglich. Einfacher ist es für frau in der Türkei sich einfach daran zu gewöhnen, sprich vorzubereiten. In diesem Sinne werden sicher bald auch Broschüren zum Thema "Verhalten bei Vergewaltigung", "Anleitung bei Diskriminierung" oder das "Merkblatt nach vermeidbaren Unfällen" erscheinen. Es heißt ja immer: Bildung ist einfach das A und O!

Wer hat jetzt die Hosen an?

Und wieder haben die Frauen nicht die Hosen an. Zumindest nicht im Türkischen Parlament. (siehe: Was ziehen wir heute an?) Irgendwie ging dann doch alles zu schnell und man bekam wohl Angst vor dem Stein, den man angestoßen hatte. Eigentlich wollte man es außerdem einfach richtig machen. Und zu guter Letzt machte man eben einfach gar nichts. Die Männer behalten die Hosen also doch für sich.

Zum einen hatten weitere Anträge auf Lockerung der Kleiderordnung zu viel Unruhe gebracht. Der Linke Sirri Sürreyya Önder hatte beispielsweise gehofft, dass man die Krawatte für Männer aus den heiligen Hallen verbannen könne und womöglich gar im Gegenzug das Kopftuch erlauben. Das war nun wohl doch ein Tick zu viel für das Land, dass anhand von Symbolen glaubt den Laizismus aufrecht erhalten zu können.

Aufatmen konnte  Nusret Cicek: Der pensionierte Richter und ehemalige Berater des Justizministeriums nahm in seiner Kolumne in der Tageszeitung Akit kein Blatt vor den Mund, um seinem Unmut über die Hosen an Frauenkörpern Luft zu machen: "Diesen ekelhaften Anblick von Frauenhintern in engen Hosen, dem wir auf der Straße ausgeliefert sind, wird  man nun auch ins Parlament übertragen." Weiter wettert er, dass die Hose - zumindest am Körper einer Frau -  eine "zur Schaustellung der Sexualität" sei.

Und nicht zuletzt der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan selber dürfte sich freuen, dass in letzter Minute das Hosenverbot für Frauen blieb, hatte er doch bei der Eröffnung des akademischen Jahres an der Istanbul Universität darauf hingewiesen, dass es in Afrika keinen Hunger mehr gäbe, wenn der Westen "die Reste aus seinem Hosenaufschlag verteilen würde". Da haben wir doch endlich mal einen wirklich guten Grund für ein Hosenverbot!

Montag, 10. Oktober 2011

Unsichtbar

Unsichtbar ist die Frau im Islam im öffentlichen Raum, zumindest sollte sie es sein. Unsichtbar war auch
Tenzile Erdogan, die Mutter des Premierministers Erdogan. Selten gab es Besuche des berühmten Sohnes, die in der Presse berichtet wurden. Vergangene Woche starb die alte Frau, wir wissen allerdings nicht genau in welchem Alter. 

Ihre Aussegnung und Beerdigung war ein mediales Großereignis. Weinend sah man den Premier und erschüttert den Präsidenten, den Außenminister, den Energieminister, den Bürgermeister von Istanbul, den Großmufti während sie den Sarg trugen oder beteten... 
Was wir nicht sahen: Die Ehefrau des trauenden Sohnes, seine Schwester, seine Tochter. Die Freundinnen und Nachbarinnen der Verblichenen, die Familienministerin oder eben kurz: Irgendeine Frau. 

Hunderte Bilder in den Medien, doch um trauernde Frauen zu finden, muss man lange suchen. Irgendwo findet man sie doch noch, aber es ist nicht zu erkennen, wo sich die Ehefrau und Kinder des Ministerpräsidenten aufhalten. Eindeutig ist: Im Hintergrund. Nicht in der Nähe des Sarges. 

Eigentlich könnte man es auch als Ironie des Schicksals betrachten. Denn über achtzig Jahre lebte Tenzile in einer Welt, die durch die strenge Trennung der Geschlechter bestimmt wurde und dann geleiten sie nur Männer in die Ewigkeit. 

Freitag, 7. Oktober 2011

Lassen wir uns Zeit

Haber Türk, 7. Oktober 2011, Seite 1
Sefika Etik in Manisa war vor ihrem gewalttätigen Ehemann in ein Frauenhaus geflohen. Neunzehn Jahre lang hatte sie seine Prügel eingesteckt und seine Kinder groß gezogen. Doch irgendwann war es ihr zu viel und sie in der Hoffnung auf ein besseres Leben ging sie ins Frauenhaus. Er bereute, er gelobte Besserung, wollte sich bestimmt auch wieder einen Job suchen, wenn sie nur zurück käme. Zwei Kinder, fast zwanzig Jahre und Frauenhäuser bieten auch nicht für immer eine Perspektive. Also ließ sie sich von Ibrahim überreden und kam mit nach Hause. Nur eine Stunde währte das neue Glück: Dann ragte in ihrem Rücken ein Fleischermesser und ihr Mann versuchte das Haus anzuzünden um die Spuren zu beseitigen, die ihn als Mörder eindeutig entlarven würden.

Haber Türk, 7. Oktober 2011, Seite 27
H.Ö. war wegen Mordes im Gefängnis, ganze zehn Jahre hatte er verbüsst, als er durch eine Generalamnestie 2002 wieder auf freien Fuß kam. Er heiratete, aber die Ehe scheiterte. Nach nur vier Jahren ließ sich seine Frau im vergangenen Jahr scheiden. Aber Menemen bei Izmir ist überschaulich. Wenn man jemanden sucht, dann findet man auch. H.Ö. lauerte seiner Frau auf dem Weg zur Arbeit auf, zückte eine Pistole und schoss so lange auf Kopf und Brust, bis er sicher sein konnte, dass sie tot ist. Danach lieferte er sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei, konnte allerdings nicht entkommen.

Radikal, 7. Oktober 2011
Drei minderjährige Mädchen wurden unabhängig voneinander in Sanliurfa wegen Geburtswehen ins Krankenhaus eingeliefert. Eine Vierzehnjährige durfte sich auf die Geburt ihres ersten Kindes, das sie mit einem einundfünzigjährigen Verwandten erwartet, freuen. Allerdings nicht lange: den geltenden türkischen Gesetzen nach werden alle drei Väter wegen Unzucht mit Minderjährigen angezeigt werden.

Sabah, 7. Oktober 2011
Ramazan C. war nach einem Sturz aus großer Höhe so schwer verletzt, dass er in einem Krankenhaus in Gaziantep stationär behandelt werden musste. Dass dieser Krankenhausaufenthalt das Ende bedeuten würde, ahnte zu diesem Zeitpunkt nur sein Bruder. Dieser schritt mutigen Schrittes mit einer Pistole bewaffnet in das Krankenzimmer, forderte die Anwesenden auf zu gehen und als sie dem, ahnend was folgen würde, nicht nachkamen, erschoss er seinen kleinen Bruder eben vor ihren entsetzten Augen. Dann ging er auf die Polizeiwache des Krankenhauses, überreichte seine Waffe und erklärte: "Mein Bruder war eine Transe. Seit zwei Jahren schämen wir uns vor die Tür zu gehen. Unsere Ehre ist wieder hergestellt."

Twitter, 7. Oktober 2011
Ümit Boyner, Vorsitzende des Unternehmer- und Industriellenverbandes TÜSIAD, schämt sich. Das Kassationsgericht hatte ein Urteil, in dem es lautete, dass die dreizehnjährige N.C. "sich der ganzen Sache bewusst gewesen sei" und deswegen die Täter satte Strafminderung kassierten, bestätigt. 28 Männer, Soldaten, Dorfschützer und Ortsvorsteher hatten das Kind vergewaltigt. Sie trägt wohl eine Mitschuld. Oder hatte die Straftat provoziert?

Die Föderation der Frauenverbände in der Türkei hatte für den 5. Oktober eine Demonstration angesagt, auf der gegen Gewalt an Frauen demonstriert werden sollte. Doch dieser Termin wurde nun nach hinten verschoben. Denn man glaubt, so hieß es in einer Presseerklärung, an den guten Willen der neuen Familienministerin Fatma Sahin. Man räumt ihr eine Frist ein.
So viel Zeit haben wir sicher...

Dienstag, 4. Oktober 2011

Schlapphüte

Eine verheißungsvolle Stellenanzeige sucht nach Bewerbern, die "starke analytische Fähigkeiten, gute Kommunikationsfähigkeiten, Verantwortungsbewusstsein mitbringen und außerdem offen für Weiterentwicklung sind,  neugierig, mit praktischem Verstand gesegnet und Führungseigenschaften aufweisen". Außerdem handelt es sich um ein modernes Unternehmen, das neben Karrieremöglichkeiten auch noch jede menge weiterer Annehmlichkeiten zu bieten hat. Vor allem gesucht sind auch Fremdsprachentalente. 
Doch eines stört das Gesamtbild und dürfte die eine oder andere Bewerberin doch abhalten: In der Stellenanzeige des türkischen Geheimdienstes sind Frauen eindeutig ausgeschlossen. 
Nun, in der Öffentlichkeit hat das nicht für viel Aufsehen gesorgt. Warum auch? Die wenigsten können sich hier wohl Schlapphüte über geblümten Kopftüchern vorstellen. Bisher erreicht die Männerdomäne einen Anteil von 18,1 Prozent des "ungewollten" Geschlechts. 
Irritiert fühlten sich vor allem Frauenverbände und die Gleichstellungskommission des Türkischen Parlaments, letztere ging der Sache nach und beantragte die Gründe für diese offensichtliche Diskriminierung der Frau darzulegen. Und wie so oft: Eigentlich möchte man diese gar nicht wirklich wissen. Wohl in Ermangelung weiblicher Beraterinnen gab Emre Tamer im Auftrag der Behörde daraufhin bekannt, dass Frauen für den Job als Geheimdienstlerinnen nicht geeignet seien, da "diejenigen, die vor allem im Osten und Südosten des Landes eingesetzt werden, mutig und stressresistent sein müssen. Frauen zeigen ihre Reaktionen zu offensichtlich und enttarnen sich. Deswegen bevorzugen wir männliche Agenten." 
Dabei könnte man durchaus davon ausgehen, dass Neugierde, praktischer Verstand, Kommunikationsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein bei Frauen anzutreffen sei. Doch anscheinend benötigt man für den türkischen Secret Service dann doch eher "typisch männliche" Qualitäten.  Dabei beweisen doch gerade so manche Damen hier, dass sie gut einstecken können: Jede zweite gibt nämlich zu, bereits Prügel kassiert zu haben aber 88 Prozent der Geschlagenen glauben, dass sie mit dieser Situation auch ohne Hilfe klar kommen...

 
Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de