Dienstag, 23. August 2011

Strand der Toleranz

Die Tageszeitung Radikal freute sich am 22. August über eine Moschee in Bodrum, die direkt neben einem Strand gelegen ist. "Strand der Toleranz" lautete die Schlagzeile und es werden Urlauber zitiert, die sagen, dass es ihnen gar nichts ausmacht, in der Sonne zu liegen, während in der Moschee gebetet wird. Auch der Imam hat nichts dagegen, dass Menschen Urlaub machen, so gleich bei dem Gotteshaus aus der Zeit Abdulhamit II. Wie schön.

Die Frage, die sich nun aufdrängt ist: Was ist der Nachrichtengehalt dieser Meldung? Was eigentlich selbstverständlich sein sollte (noch dazu in einem Land, das sich als laizistisch bezeichnet und das die Einkommen aus dem Tourismus so nötig hat wie die Türkei) taugt zur Meldung in einer nicht unbedeutenden Tageszeitung.

Natürlich drängt sich der Verdacht auf, dass saure Gurken Zeit herrscht - doch davon kann in der Türkei gerade keine Rede sein:  Der Generalstab ist nahezu geschlossen zurück getreten, der Krieg im Südosten ist wieder neu entflammt, eine Verfassung soll nach den bevorstehenden Feiertagen ausgehandelt werden und Mammutprozesse, bei denen ranghohe Militärs und Journalisten jeder Coleur verhandelt werden, polarisieren so stark, dass man damit nicht nur Zeitungen, sondern auch Bücher füllen könnte.

Warum also lesen wir, dass Moschee und Strand friedlich nebeneinander koexistieren können (immerhin wird man den Strand auch nicht nehmen und wegtragen können...). Will uns die "Radikal" zeigen, dass es mit der Meinungsfreiheit in der Türkei so schlecht bestellt ist, dass man sogar für eine solche Lappalie schon dankbar sein sollte? Oder will sie nur Menschen wie mich und andere brave Stammleser irritieren und auf die Barrikaden rufen, damit wir uns dagegen auflehnen, wenn wir für dieses eingeschränkte Freiheitsverständnis applaudieren sollen? Oder ist diese Zeitung wirklich davon überzeugt ein geglücktes Beispiel für die Koexistenz von - ja was eigentlich - Menschen (?) gefunden zu haben.

Vielleicht fühlte man sich aber auch durch Meldungen und Kommentare anderer Gesinnung, die sich in den letzten Wochen zu häufen scheinen, bemüßigt "positives" zu berichten. So hat sich ein Jahre währender Streit zwischen einem alteingesessenen Bordell und einer neu gebauten Moschee in Antalya nun entschieden: Das Freudenhaus räumte (nicht ganz freiwillig) das Feld. Denn gläubige Muslime fürchten, dass ihr Gebet nicht angenommen wird, falls sie es zu nah bei den leichten Mädchen tätigen.... "Wie soll man seiner Tochter erklären, was sich hinter der hohen Mauer und den verschlossenen Türen verbirgt" fragte ein besorgter Anwohner in einem Zeitungsbericht. "Kind, ich war noch nicht drin" oder "Das verrate ich dann mal deinem Bruder" oder "Ein Bordell" wären mögliche Antworten. Als Lösung lieber das ganze "Problem" verschwinden zu lassen scheint mir jedoch nicht nachhaltig.

Kommentatoren aus dem islamischen Spektrum delektierten ihre Leser in jüngster Zeit mit Diskussionen darüber, ob man Nichtmuslime "tolerieren" oder "ertragen" müsse und der wissbegierige Leser wurde aufgeklärt, dass es an Sünde grenzt, wenn man Ungläubige in ihrem Treiben einfach so sich selber überlässt und es schlichtweg am besten wäre, man würde alle, die nicht dem richtigen Glauben angehören, einfach von den Gläubigen weg sperren. Ungläubig muss ich bei einem Herrn Karaman lesen, dass man mich von der islamischen Gesellschaft fern halten und an "besondere Orte" schicken könne. Man muss es eben nicht ertragen oder gar tolerieren, wenn die Gottlosen ihrem satanischen Werk vor der eigenen Haustür frönen. Ob meine Nachbarn auch so denken?

Also verneigen wir uns in Dankbarkeit, dass wir die Freuden, die uns Mutter Natur in Form eines Strandes gewährt, noch genießen dürfen. Und plötzlich fällt der Groschen: es ist der Strand der "Toleranz" - "selbstverständlich" ist das nicht mehr...

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