Dienstag, 1. November 2011

Beethoven kontra Quietscheentchen


Eine ziemlich bunte Raupe dudelt "Freude schöner Götterfunken", während mein begeistertes Kleinkind dazu  tanzt.
Mich erinnert das an ein sehr denkwürdiges Gespräch mit einem türkischen Spielwarenhändler, vor vielen, vielen Jahren, als meine jetzt schon recht große Tochter noch sehr klein war. Überzeugt davon, dass ein Kind nicht ohne Spieluhr groß werden könne, verlangte ich nach "einem Kuscheltier, das Musik spielt". Der Verkäufer zögerte nur kurz, dann bot er mir ein gelbes Quietscheentchen an und quetschte es gleich neben meinem Ohr.  Staunend gab ich zu bedenken, dass die Ente nur quakt, nicht aber wie gewünscht Musik spielt. Auch mangelte es an der Eigenschaft "kuschelig weich". Daraufhin belehrte mich der Verkäufer: "Aber ein so kleines Kind bemerkt doch den Unterschied gar nicht!" Da hat er zwar womöglich recht, doch ohne ihn darauf hinzuweisen, dass es darum ginge eben diesen Unterschied zu lernen, verließ ich den Laden.
Eine Spieluhr habe ich damals übrigens in der gesamten Stadt nicht gefunden. Aber das ist womöglich nicht so schlimm: Wir haben mittlerweile unzählige in jeder erdenklichen Form und Farbe. Da man Kinder im Land der Dichter und Denker (und Komponisten!)  anscheinend ja nicht ohne groß ziehen kann, bekamen wir von dort eine ganze dudelnde Armee von Spieluhren von Tanten, Verwandten und Freunden zu den verschiedensten Anlässen geschenkt. 
Inzwischen hat auch der Türkische Kulturminister Ertugrul Günay musikalischen Nachholbedarf erkannt und versucht diesen Mängel schnellstmöglich zu beheben. Abhilfe hofft er dadurch zu finden, dass er das Staatliche Symphonieorchester auf Tour durch die abgelegenen Ecken Anatoliens schickt. Der Orchesterleiter Kenan Gökkaya freut sich, dass sie mit ihrem Bus über Land fahren und „die in den Dörfern versteckten Beethovens, Pavarottis, Mozarts und Asik Veysels“ entdecken werden. Für die Zukunft hofft er sogar auf eine „Musikhotline“: Neben 155 für die Polizei, 156 für die Gendarmerie und 110 für die Feuerwehr könnte man dann, vielleicht unter 123, eine Kunsthotline erreichen und so die Liebe zur klassischen Musik bis ins tiefste Anatolien tragen. 
Mein Kleinkind mag am liebsten Beethoven aus dem Wurm und natürlich: Sein Quietscheentchen. Es lebt im Bad. 

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